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Die Welt im Wandel: Zukunftsfähig Wirtschaften

    Johanna Jung unterstützt Unternehmen sich zukunftsfähig zu entwickeln

    Im Interview mit dem Online-Magazin StyleMag by AmbienteDirect gibt Nachhaltigkeitsberaterin Johanna Jung Einblicke in ihre Arbeit, in der sie Unternehmen dabei unterstützt sich zukunftsfähig auszurichten und Verantwortung zu übernehmen.
    Erstmals erschienen im Online-Magazin StyleMag by AmbienteDirect® am 16.10.2019

    Der Begriff Nachhaltigkeit begegnet uns momentan überall.  Menschen und Firmen müssen handeln, um die Welt „enkeltauglich“ zu machen. Soviel ist klar! Doch… Wie funktioniert das eigentlich, wenn sich ein Unternehmen auf Nachhaltigkeit fokussieren möchte? Welche Prozesse stecken dahinter? Johanna Jung ist Nachhaltigkeitsberaterin aus München. Im Interview erklärt sie, wie sie Unternehmen darin unterstützt, sich zukunftsfähig zu entwickeln.

    Liebe Frau Jung, schön, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Das Wort „Nachhaltigkeit“ geht uns heutzutage so schnell über die Lippen. Doch was bedeutet der Begriff für Unternehmen?

    Ursprünglich stammt der Begriff aus der Forstindustrie und besagt, dass nur so viel Holz geschlagen werden soll, wie auch nachwachsen kann. Das gilt auch für Unternehmen: Diese sollen durchdacht wirtschaften, sodass zukünftige Generationen unter den gleichen Voraussetzungen leben können wie wir – die Welt also enkeltauglich erhalten.

    Wie unterstützen Sie Unternehmen darin, nachhaltiger zu werden?

    Als Nachhaltigkeitsberaterin mache ich erstmal eine Nachhaltigkeitsanalyse, um festzustellen, wie weit ein Unternehmen in diesem Punkt schon gekommen ist. Verfügt die Firma beispielsweise über ein Umweltmanagement-System? Bezieht sie Ökostrom? Werden die Mitarbeiter – Frauen wie Männer – fair bezahlt? Anhand dessen kann ich sehen, welche Schrauben noch gedreht werden müssen. Außerdem ist eine Stakeholder-Analyse wichtig: Welche Anforderungen haben verschiedene Interessensgruppen an das Unternehmen? Kunden möchten ein hochwertiges Produkt kaufen und angemessene Preise dafür zahlen. Und Mitarbeiter haben Interesse daran, dass das Unternehmen die nächsten Jahrzehnte bestehen bleibt und sie ihren Job behalten können.

    Das heißt, Nachhaltigkeit betrifft nicht nur die Herstellung eines Produkts, sondern auch, was ein Unternehmen seinen Mitarbeitern bietet?

    Genau – der Begriff Nachhaltigkeit ist nicht geschützt. Für Firmen kann Nachhaltigkeit also Verschiedenes bedeuten. Ein Unternehmen darf sich auch nachhaltig nennen, wenn es die Jobs in der Region fördert. Für andere Firmen kann Nachhaltigkeit bedeuten, dass sie ihre Lieferketten transparent offenlegen und der Kunde weiß, wo und unter welchen Bedingungen der Rohstoff hergestellt wurde. Es gibt keine klare Definition von Nachhaltigkeit und deshalb geht der Begriff oft auch mit sogenanntem Green Washing einher. Das passiert, wenn ein Unternehmen sich „grüner“ darstellt, als es tatsächlich ist.

    Das macht das Thema tatsächlich etwas schwammig! Gibt es da keinerlei Regelungen?

    Die Bundesregierung hat vor ein paar Jahren festgelegt, dass immerhin große Unternehmen und Konzerne, die jeweils kapitalmarktorientiert sind und im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen, nichtfinanzielle Themen wie Umwelt, Soziales, Mitarbeiter, Menschenrechte, Anti-Korruption öffentlich machen müssen. Dieses Gesetz betrifft aber nicht die kleinen und mittelständischen Unternehmen.

    Eine große Firma fragt dann auch bei seinen Lieferanten nach, was diese für Nachhaltigkeit tun. Da bewegt sich also schon etwas, aber meines Erachtens noch nicht genug.

    Wie können Sie als Nachhaltigkeitsberaterin den Prozess denn noch stärker anstoßen?

    Wie gesagt, es ist wichtig, dass sich Unternehmen zukunftsfähig aufstellen, damit sie auch noch für die nächste Generation bestehen bleiben. Ich entwickle mit Firmen also langfristige Strategien. Weitere Treiber für mehr Nachhaltigkeit sind unter anderem die Kostenreduktion, weniger Abfall zu produzieren, weniger Energie zu verbrauchen und auch die Lieferkette zu sichern. Dies kann zum Beispiel in der Textilindustrie kritisch sein. Ein Großteil der Baumwolle stammt nämlich aus den Tropen und Subtropen. Wenn es dort eine Klimakatastrophe gäbe und die Firmen dort nicht mehr liefern können, ist die Supply Chain für Modeunternehmen im Ausland nicht mehr gesichert. Es geht hier also auch stark um Risikomanagement, also Lieferketten sicherzustellen.

    Wie kann der Verbraucher denn schnellstmöglich erkennen, in welcher Form ein Unternehmen nachhaltig handelt?

    Ich muss zugeben, das ist recht schwer. Hier ist Eigeninitiative und Recherche gefragt, um es besser einschätzen zu können. Es gibt aber auch Einkaufshilfen wie Websites oder Apps. Bei Siegeln und Logos gibt es auch starke Unterschiede, mit diesen wird der Verbraucher ja regelrecht überflutet. Um Kosmetika zu prüfen, würde ich „ToxFox“ oder „CodeCheck“ empfehlen. Mit dieser App kann ich den Barcode eines Produkts scannen und bekomme dann Infos, welche Inhaltsstoffe enthalten sind, was bedenklich ist und so weiter.

    Wie könnte ein Möbelhersteller nachhaltig und zukunftsorientiert handeln?

    Eine Strategie für solche Unternehmen könnte zum Beispiel sein, die Produkte im Kreislauf zu halten. So würde ein Möbelstück nie als Abfall angesehen werden, sondern repariert, weiterbenutzt und recycelt werden. Teppichhersteller könnten ihre Teppiche aus recyceltem Material herstellen, und wenn er nicht mehr gebraucht wird, als Füllmaterial für ein Sofa benutzen. Grundsätzlich gilt: Je langlebiger ein Produkt, desto besser.

    Wie lässt sich diese nachhaltige Vorgehensweise dann mit dem Fakt kombinieren, dass Unternehmen nun mal Gewinn erwirtschaften möchten?

    Das passt nicht optimal zusammen, das stimmt. Aber man könnte ein Unternehmen ja auch so aufziehen, dass der Kunde ein gutes Bild von der Marke hat und gerne dort einkaufen will. Eine andere Idee: Ein Möbelhersteller könnte seine Produkte auch gegen einen Aufpreis vermieten. Der Kunde würde zum Beispiel ein Sofa für zwei Jahre mieten, und wenn er dann einem anderen Trend folgen möchte oder umzieht, gibt er es dem Unternehmen zurück. Diese könnten das Sofa dann neu aufbereiten und wieder anbieten.

    Wie schätzen Sie es ein: Wird der Verbraucher bereit sein, mehr für Nachhaltigkeit zu zahlen?

    Ich bin kein Zukunftsforscher, aber ich denke schon – wenn der Mehrwert auch ersichtlich ist. Gerade in der Lebensmittelbranche ist es aber oft so, dass der Kunde erwartet, nachhaltige Lebensmittel müsste es zum selben Preis geben wie konventionelle Produkte. Aber das geht nicht. Sollte ein Discounter so etwas doch anbieten, dann kann etwas nicht stimmen. Nachhaltige Produkte und Rohstoffe sowie deren Herstellungsweisen sind immer mit mehr Kosten verbunden. Bleiben wir bei den Lebensmitteln: Wenn diese so günstig angeboten werden, wird eventuell der Vorlieferant in seinem Preis gedrückt, sodass er keine Gewinnmargen mehr hat und nicht mehr zukunftsfähig sein kann.

    Was müsste denn eintreten, damit der Verbraucher bereit ist, tiefer in die Tasche zu greifen?

    Menschen müssen sich mit dem Produkt und der Philosophie des Unternehmens identifizieren können. Dann wird der Verbraucher auch bereit sein, mehr zu zahlen. Der Clou für Unternehmen wird Transparenz sein, also ehrlich zu kommunizieren, welche Bestrebungen und Ziele sie haben und wie weit sie schon sind. Und dazu gehört, auch mal offen darzulegen, wenn ein Ziel nicht erreicht wurde. Zum Beispiel, dass es im letzten Jahr noch nicht möglich war, auf nachhaltiges Holz umzusteigen, weil es aufgrund einer komplexen Lieferkette nicht möglich war. Dadurch wird das Unternehmen aber mit Vertrauen seitens der Kunden belohnt. Vertrauen und Glaubwürdigkeit ist heutzutage ein sehr wichtiges Merkmal!

    Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Inwiefern verfolgen Sie selbst einen nachhaltigen Lebensstil?

    Mein Mann und ich kaufen unsere Lebensmittel nur im Bioladen ein, wir beziehen Ökostrom und auch bei der Einrichtung achten wir auf Nachhaltigkeit. Wir gucken erstmal auf Ebay Kleinanzeigen, was es dort gibt, denn vieles ist wirklich gut erhalten! Ich erwarte derzeit ein Kind, und da frage ich also erstmal bei Freunden und Bekannten, ob sie noch Dinge im Keller haben, die ich ausleihen darf. Wir achten außerdem darauf, Plastik zu vermeiden und bauen unser Gemüse auch gerne selbst an. Man sollte nicht vergessen: Auch die kleinen Dinge bewirken etwas! Es ist toll, wie die Menschen derzeit auf die Straße gehen und demonstrieren. Somit sensibilisieren sie wiederum andere, sich mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Oder wie Sie, indem Sie ein Interview über Nachhaltigkeit führen. Jeder kann etwas tun und so können wir gemeinsam etwas bewegen!

    Herzlichen Dank für das aufschlussreiche Interview, liebe Frau Jung!

    Hier geht’s zum Interview auf Ambiente Direct

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